Global Citizenship Education: von der Theorie zur Praxis des Zusammenlebens

Anfang September 2018 fand in Seoul ein internationales Seminar zum Thema «Global Citizenship Education in Every Corner of the World: Local Contextualization of GCED» statt. Das vom Asia-Pacific Centre of Education for International Understanding (APCEIU) und den südkoreanischen Ministerien für Bildung und auswärtige Angelegenheiten in Partnerschaft mit der UNESCO organisierte Seminar legte den Schwerpunkt auf die Herausforderung, die Ziel Nr. 4.7 der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) der Agenda 2030 für ein Land darstellt. Die Definition von Ziel Nr. 4.7 umfasst die Global Citizenship Education (GCED, siehe unten).

Einen Höhepunkt des Seminars bildete das Referat des ehemaligen UNO-Generalsekretärs, Ban Ki-moon. Er wies darauf hin, dass GCED eine notwendige Voraussetzung für die weltweite Förderung des Friedens sei. Die Realisierung der GCED sei die optimale Lösung für eine interdependente Welt mit weniger Gewalt, mehr Respekt für die Umwelt und mehr Stabilität. In diesem Sinne führten mehrere hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Korea und anderen Ländern der Welt während zwei Tagen einen Dialog darüber, wie die GCED umgesetzt werden kann. Dabei bestehen zahlreiche Herausforderungen.

Aus den Debatten am Seminar in Seoul sind drei Punkte besonders hervorzuheben. Zuerst einmal wurde auf die Terminologie und die Schwierigkeit der Übersetzung der GCED in gewisse Sprachen hingewiesen. Schon nur im Französischen weckt die Kombination von «citoyenneté» (Bürgerschaft) und «mondiale» (weltweit) grosse Vorbehalte oder sogar Widerstände. Der Begriff der Bürgerschaft und die damit verbundenen Privilegien sind immer noch an einen nationalen Territorialraum gebunden. Die Ausdehnung auf die ganze Welt ist für viele eine Utopie.

Auch die Definition von Ziel 4.7 der Agenda 2030, die gestützt auf die Erklärung von Incheon – insbesondere auf Abschnitt 9 mit dem Konzept der guten Bildung – vom Mai 2015 aufgestellt wurde, stellt die GCED vor Herausforderungen. Sie lautet:

«Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung.»

Obwohl diese Definition im Aktionsrahmen zur Umsetzung von SDG 4 näher erläutert wird, erscheint sie etwas zu weit gefasst, um in die erzieherische und pädagogische Praxis umgesetzt zu werden.

Aufgrund dieser weit gefassten Definition ist auch deren Evaluation sehr schwierig. In den Diskussionen am Seminar von Seoul wurde unter anderem auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Unterschiede zwischen «globalen Kompetenzen» und «Kompetenzen im Bereich der Global Citizenship Education» zu klären.

Die Schweizerische UNESCO-Kommission präsentierte am Seminar ein Poster, das ihre Überlegungen und Erfahrungen auf nationaler Ebene zusammenfasst. Obwohl das dezentrale Bildungssystem ein klarer Vorteil ist, wird die explizite und verbindliche Integration der GCED in den Lehrplan Zeit brauchen. Nichtformale und informelle Bildungsinitiativen, die insbesondere von NGO und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren unterstützt werden, darunter auch Solidaritätsprojekte von lokalen Akteuren des Schulsystems, können interessante Möglichkeiten zur Operationalisierung der GCED in der Schweiz eröffnen.

Abdeljalil Akkari, Mitglied der Schweizerischen UNESCO-Kommission

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