Sammlungsbestände Jean-Jacques Rousseau in Genf und in Neuenburg

2011 in das Weltdokumentenerbe-Register aufgenommen

📍 Bibliothek von Genf und öffentliche Bibliothek der Universität Neuenburg

«Lebendig oder tot – er wird immer Unruhe stiften»: Die Voraussage Jean-Jacques Rousseaus, eines der grossen Schriftsteller und Philosophen der Aufklärung, hat sich bewahrheitet. Sein Werk, sein Denken und seine Sprache üben bleibenden Einfluss aus, und es gibt kaum politische, gesellschaftliche oder kulturelle Umwälzungen, die sich nicht – wissentlich oder unwissentlich – von ihm prägen liessen. Die Sammlungen in Genf und Neuenburg erlauben es, das Leben und Schaffen Rousseaus kennenzulernen, zu analysieren und zu verstehen und zudem seine seit nahezu drei Jahrhunderten anhaltende weltweite Resonanz zu erklären.

© Naomi Wenger

Vom Ende des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts förderten Freundschaften, Nachlässe und Schenkungen dank günstiger Umstände den Aufbau eines erstrangigen dokumentarischen Erbes. Die Bestände befinden sich in der Bibliothèque de Genève, der Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel, bei der Société Jean-Jacques Rousseau (Genf) und bei der Association Jean-Jacques Rousseau (Neuenburg).

Zu den Dokumenten in der Bibliothèque de Genève gehören die autografen Manuskripte der Dialogues de Rousseau juge de Jean-Jacques, der Confessions und des Contrat social, die grösstenteils von den Nachkommen von Rousseaus Genfer Freund und Verleger Paul Moultou stammen. Rousseau hatte sie dem Freund 1761 anvertraut. Die Neuenburger Bibliothèque publique et universitaire ist im Besitz des Nachlasses von Pierre-Alexandre DuPeyrou, Rousseaus Testamentsvollstrecker und Herausgeber der Gesamtausgabe. In Neuenburg wird das einzige bekannte Manuskript der Rêveries du promeneur solitaire sowie das Manuskript des Dictionnaire de musique und ein Herbarium aufbewahrt. Die 1904 gegründete Société Jean-Jacques Rousseau hat zahlreiche für das Verständnis des Werks wesentliche Manuskripte zusammengetragen, darunter das «Favre-Manuskript» des Emile. Die 1956 gegründete Association J.-J. Rousseau hat umfangreiche ikonografische Sammlungen erworben, die zum Teil im Rousseau-Museum in Môtiers ausgestellt sind.

„Ich bin in Genf dem BĂĽrger Isaak Rousseau und der BĂĽrgerin Susanna Bernard im Jahre 1712 geboren worden. Von einem äusserst geringen, zwischen fĂĽnfzehn Kindern zu teilenden Vermögen war auf meinen Vater so gut wie nichts gekommen, so dass er sich fĂĽr seinen Unterhalt einzig auf sein Uhrmacherhandwerk angewiesen sah, in dem er allerdings eine grosse Geschicklichkeit besass.“
Die Bekenntnisse (Livre premier) von Jean-Jacques Rousseau

Die Sammlungen umfassen die Erstausgaben und seltene Ausgaben der Werke Rousseaus sowie zahlreiche Fälschungen und Raubdrucke. Die Bibliothèque de Genève besitzt die weltweit umfangreichste Sammlung früher Ausgaben von Rousseaus Werken. Genf und Neuenburg standen im Mittelpunkt der Debatten und Kontroversen im Zusammenhang mit den politischen Werken Rousseaus, die eine Fülle von Veröffentlichungen zur Folge hatten, und heute sind es diese Städte, in denen die reichhaltigsten Sammlungen dieser Werke zu finden sind.

Die ikonografischen Bestände umfassen Gemälde und Kupferstiche, die den Philosophen, Episoden aus seinem Leben sowie Szenen aus seinen Werken zeigen. Darunter befinden sich mehrere Meisterwerke, so etwa das Pastell von Maurice Quentin de La Tour (1753), das 1754 von Robert Gardelle angefertigte Porträt und die Totenmaske, die Jean-Antoine Houdon im Auftrag des Marquis de Girardin am 3. Juli 1778 anfertigte.

Die Bestände dieser vier Institutionen sind eine wichtige Quelle für die wissenschaftliche und künstlerische Rezeption Rousseaus, der es weniger um die Würdigung geht als um eine kritische Auseinandersetzung mit der Welt von heute.