Memory of the World

„Memory of the World“ („Gedächtnis der Menschheit“) ist ein Programm aus dem Sektor Kommunikation und Information der UNESCO. Es wurde 1993 lanciert, um den Schutz des dokumentarischen Erbes der Menschheit zu fördern, denn dieses ist nicht nur durch Vernachlässigung oder den Zahn der Zeit bedroht, sondern auch durch mutwillige Zerstörung. Auslöser für das Programm war die vorsätzliche Zerstörung der Nationalbibliothek von Sarajewo im Jahr 1992.

Die drei Hauptziele von Memory of the World:

  • Den Erhalt des dokumentarischen Erbes ermöglichen und fördern.
  • Den universellen Zugang sicherstellen.
  • Die Bewusstseinbildung für die Bedeutung des dokumentarischen Erbes und die Notwendigkeit seiner Bewahrung fördern.

Gouvernanz

Das Programm wird vom Internationalen beratenden Ausschuss (International Advisory Committee, IAC) der UNESCO verwaltet, dessen 14 Mitglieder von der Generaldirektorin bzw. vom Generaldirektor ernannt werden. Der IAC formuliert die politischen Stossrichtungen sowie die technischen, rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Programms. Der IAC trifft sich alle zwei Jahre (ungerade Jahre).

Aktivitäten

Zu den wichtigsten Aufgaben des IAC gehört die Führung des internationale Registers „Memory of the World (manchmal auf Deutsch auch „Register des Weltdokumentenerbes“ genannt). Dieses Register wurde 1995 geschaffen und verzeichnet Schriftstücke, Manuskripte, Bild-, Ton- und Filmdokumente, Buch- und Archivbestände sowie andere Dokumente, die den Selektionskriterien von internationalem Interesse und universellem Wert entsprechen.

  • Archives of Tōji temple contained in one-hundred boxes, Japan

Die Objekte werden an den Sitzungen des IAC in das Weltregister aufgenommen. Der IAC prüft die vollständigen Unterlagen zur Beschreibung eines Objekts sowie dessen Ursprünge, Bedeutung und Erhaltungszustand. Der IAC empfiehlt dem Exekutivrat der UNESCO eingereichte Vorschläge zur formellen Aufnahme in das Register.

Jedes Land kann alle zwei Jahre zwei Gegenstände aus seinem dokumentarischen Erbe zur Aufnahme vorschlagen. Es kann auch mit anderen Ländern gemeinsame Nominierungen einreichen. Für diese Art von Nominierungen gibt es keine zahlenmässige Beschränkung. Die Schweizerische UNESCO-Kommission ist die von der UNESCO anerkannte nationale Instanz für die Nominierung und Genehmigung von Schweizer Nominierungen.

Die UNESCO-Generalkonferenz verabschiedete 2015 eine Empfehlung zum Schutz von und Zugang zu Dokumentenerbe im Digitalzeitalter, die sich weitgehend auf das Memory of the World-Programm beruft. Die Schweiz war über das Schweizerische Bundesarchiv intensiv an der Erarbeitung dieser Empfehlung beteiligt.


Im internationale Register „Memory of the World“ eingetragene Güter in der Schweiz

Die Schweiz hat aktuell sieben Einträge im internationale Register «Memory of the World»:

→ Sammlungsbestände Jean-Jacques Rousseau in Genf und Neuenburg (aufgenommen 2011)

Sammlungen, darunter Originalmanuskripte und seltene Drucke, die es ermöglichen, das Werk dieser zentralen Figur des Zeitalters der Aufklärung zu verstehen.

→ Das Montreux Jazz Festival, das Nachlass von Claude Nobs (aufgenommen 2013)

Umfasst mehr als 5’000 Stunden Audio- und Videoaufzeichnungen von Konzerten des Montreux Jazz Festival seit dessen Gründung durch den Visionär Claude Nobs.

→ Bibliotheca Bodmeriana, 1916–1971 (aufgenommen 2015)

Eine der wichtigsten Privatbibliotheken der Welt, welche dreitausend Jahre der Evolution des menschlichen Denkens durch die „Weltliteratur“ aufzeigt.

→ Erklärungen der indigene Völkern bei den Vereinten Nationen 1982 bis 2015 (aufgenommen 2017)

Unentbehrliche Dokumentation, die den Kampf der indigenen Völker um die Anerkennung ihrer Rechte bezeugt.

→ Dokumentarisches Erbe der Abtei St. Gallen im Archiv der Abtei und in der Stiftsbibliothek St. Gallen (aufgenommen 2017)

1’300 Jahre ununterbrochene Geschichte: ein einzigartiger Schatz unter den europäischen Archiven und Klosterbibliotheken.

→ Heidi- und Johanna Spyri-Archive (aufgenommen 2023)

Seit mehr als einem Jahrhundert ist Heidi ein wichtiger Teil des Schweizer Kulturerbes und strahlt auf Kunst und Populärkultur in der ganzen Welt aus.

Gemeinsame Eintragung zwischen der Schweiz und anderen Ländern (die eingetragenen Sammlungen und Elemente befinden sich in verschiedenen Ländern, bilden aber eine Einheit):

→ Das Nibelungenlied, ein Heldenepos aus dem mittelalterlichen Europa (aufgenommen 2009 auf Antrag Deustchlands)

Berühmtes mittelalterliches Heldenepos, welches von den Grosstaten Siegfrieds erzählt. Eine der vollständigsten Exemplare wird in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrt. Gemeinsame Einschreibung mit Deutschland.

Die folgenden in der Schweiz aufbewahrten Bestände und Dokumente wurden ebenfalls im internationalen Register aufgenommen, wurden jedoch nicht von der Schweiz, sondern von einer internationalen Organisation eingereicht:

→ Archiv der Internationalen Zentralstelle für Kriegsgefangene, 1914–1923 (aufgenommen 2007 auf Antrag des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz)

Erinnerung an eine der grössten Tragödien des 20. Jahrhunderts, welche das IKRK mit neuen humanitären Fragen konfrontiert hat.

→ Archiv des Völkerbunds 1919–1946 (aufgenommen 2009 auf Antrag des Büros der Vereinten Nationen in Genf)

Einzigartiges Zeugnis des Willens der Staaten, die erste zwischenstaatliche Organisation zur Sicherung von Frieden und Zusammenarbeit zu schaffen.

→ Dokumente über das Programm zur Ausrottung der Pocken (aufgenommen 2017 auf Antrag der Weltgesundheitsorganisation)

Ein Meilenstein in der Geschichte der Medizin. Die Dokumentation einer Kampagne, welche zur Ausrottung dieser hochansteckenden Krankheit geführt hat.


Loading...